Freeriden ist Teil des Alpinismus geworden

(Gastkommentar für den TSLV – Stephan und Fischer Freeski Team Kollege Oliver Andorfer wurden vom Tiroler Skilehrerverband gebeten, einen Gastkommentar für die Mai 2012 Ausgabe des Mitgliedermagazins zu schreiben. Eine große Ehre, und die Bitte haben wir selbstverständlich gerne erfüllt. Hier ist der Text.)
Wieder ein Foto, auf dem Ski irgendwo hinaufgetragen werden. (Sarstein 2012)
 

Dass das Freeridesegment im Wintertourismus angekommen ist und sich rasend schnell ausbreitet ist niemandem entgangen. Stephan Skrobar und Oliver Andorfer vom Fischer Freeski Team haben sich dazu Gedanken gemacht.

 

Medien berichten – je nach Qualität des Mediums und dem Hintergrundwissen des Schreibers – von einer neuen Freiheit oder irren Spinnern, die sicherlich unter der Lawine ihr frühes Ende finden. Dazu weiter unten mehr.

Die Wintersportindustrie hat reagiert und alle großen Skifirmen produzieren inzwischen hochwertige Freeride Ski, Bindungen und Schuhe. Skigebiete geizen in der Mehrheit nicht mehr mit notwendigen Informationen zu Lawinenlage und Freeridemöglichkeiten. Es gibt Bergbahnen, die gezielt unpräpariertes Gelände erschließen. (Nicht nur in Tirol, auch der Krippenstein in OÖ ist so ein Beispiel.)
Und natürlich hat auch die Dienstleistungsindustrie die Freerider und -innen als Zielgruppe entdeckt. Skischulen nehmen selbstverständlich Freeridetage in ihr Angebot auf, und konkurrieren damit mit der wachsenden Anzahl an Freeride Centern, die sich rein auf alles was abseits der Piste abgeht konzentrieren.

Doch wer denkt, die Freeride Industrie hat ihren Zenit erreicht und der bekannte Bereich ist nun gesättigt, der irrt. Die Szene entwickelt sich rasch weiter, und wir reden hier nicht nur von der Professionalisierung der Wettbewerbe. (Die an Attraktivität inzwischen den Alpinrennen zeitweise den Rang ablaufen. Wer das nicht wahrhaben möchte, dem empfehlen wir einen Besuch beim Stopp der Freeride World Tour in Fieberbrunn und den mehreren Tausend enthusiasmierten Besuchern.)

Das nächste große Ding in der Freeride Szene ist der Weg in den hochalpinen freien Skiraum. Jener wirklich freie Skiraum, der nicht mehr über Lifte erreicht werden kann, oder wo Fahrten irgendwann wieder zur Piste zurückführen. Hier kann nicht mehr von einer weitläufigen Variante, oder “Ski Plus” gesprochen werden. Aufstiege benötigen meist Steigeisen und Eisgeräte, oft mit Seilsicherung und exponierten Stellen. Die geplanten Abfahrten werden schwieriger, steiler, enger. Eigentlich ist es abfahrtsorientiertes, anspruchsvolles Tourengehen.

Freerider entdecken jenen alpinen Raum für sich, der
1. Alpine Entscheidungsfähigkeit auf sehr hohem Niveau verlangt
2. Genaue Tourenplanung voraussetzt
3. Hohes alpines Können verlangt (Umgang mit Seil, Steigeisen, Eisgeräten)
4. Hohe alpine Risikoeinschätzung und -management notwendig macht

Das wirft eine neue Anzahl von Überlegungen auf. Einerseits finden wir das wachsende Interesse an der wunderschönen Bergwelt natürlich begrüßenswert, auch wenn das manchen Alpinpuristen in seiner moralischen Einsamkeit stört. Andererseits entstehen nicht nur zusätzliche Gefahrenmomente, sondern auch auf kommerzieller Ebene nehmen die Anforderungen zu. Hier ist eine unbedingte Einhaltung der berufsbefähigenden Qualifikationen (Skiführer oder Bergführer) Voraussetzung. Denn sollten unqualifizierte und unerfahrene Reiseanbieter auf einmal Aufstiege durch morgendlich verharschte Frühjahrsrinnen anbieten, überfordern sie nicht nur ihren Gast sondern meist auch sich selbst. Und wenn dann etwas passiert, dann schepperts in der ganzen Industrie.

Es scheppert. (Fischer Team Days 2012)

Wir alle wissen um das breite Spektrum der Freeride Industrie, wo Profis mit jahrzehntelanger Erfahrung auf junge Newbies mit grenzenloser Motivation treffen. Eine anundfürsich sehr erfreuliche Vielfalt. Leider scheren die Medien zu oft – je näher am Boulevard desto weniger informiert und desto skandalisierender – alle Freerider über einen Kamm. Traurig, aber offensichtlich noch nicht anders erwartbar.

Unsere Aufgabe als Skiführer, Skilehrer, Ausbilder, Alpin- und Skischulleiter oder auch Freeride Profis mit Unterstützung durch die Industrie muss sein, das Bild des Freeridens in der Öffentlichkeit objektiv und ehrlich darzustellen. Mit der Hoffnung, dass die Medien in Zukunft auch ein unaufgeregteres Bild zeichnen, und die Leser der Boulevardzeitungen den Lawinenopfern nicht noch ein “Geschieht ihnen eh Recht!” hinterherwerfen.
So können wir zu einem organisch wertvollen Wachstum der Freeride Industrie beitragen, das hoffentlich alle Interessierten und Beteiligten zufriedenstellt und die Unglücksfälle am Berg reduziert. Das Freeriden ist ein Teil des Alpinismus geworden.

Stephan Skrobar ist staatlich geprüfter Skilehrer und Skiführer, leitet das Die Bergstation Freeride & Alpin Center, fährt im Fischer Freeski Team und ist Alpinausbilder im Skilehrerverband Steiermark. Nebenher ist Stephan Head Honcho der Creatix Kommunikationsagentur und Punkrock Connaisseur.

Oliver Andorfer ist staatlich geprüfter Skilehrer und Trainer, fährt im Fischer Freeski Team und ist im Ausbildungsteam des Oberösterreichischen Skiverbandes. Er ist Trainer des ÖSV Ski Cross Europacup Teams und der  Ski-Hak Schladming. Nebenher ist Oliver passionierter “Frei-Skifahrer” und versucht immer noch die Welt ein klein wenig zu verbessern.